Wer schon mal an einer Sprungschanze stand, weiß, wie steil der Hügel ist, auf dem die Springer landen. Der Mühlenkopfkraxler bietet die Möglichkeit, die Steilheit am eigenen Leib zu erfahren.
Als ich vor einigen Jahren beim Skispringen in Willingen war, war ich von der krassen Neigung des Aufsprunghügels extrem beeindruckt. Entsprechend elektrisiert war ich, als ich vom Mühlenkopfkraxler erfahren hatte, einem Rennen, bei dem die Teilnehmer nicht talwärts fliegen, sondern bergauf rennen kraxeln.
Im Sauerland nur gute Erfahrungen
Mit Läufen im Sauerland habe ich bislang nur gute Erfahrungen gemacht. Ob in Lennestadt oder beim Rothaarsteig-Marathon, ich hatte immer jede Menge Spaß. Nun also der Mühlenkopfkraxler.
400 Meter lang, 156 Höhenmeter, 38 Grad Steigung – die technischen Daten lesen sich so verwirrend, dass ich überhaupt nicht einschätzen konnte, wie lange ich für den Lauf auf die größte Großschanze der Welt benötigen würde. 30 Minuten vielleicht? Keine Ahnung! Verwirrt bin ich auch, als mir an der Startnummernausgabe gesagt wird, der Transponder müsse auf den Rücken, weil ich mit dem Rücken nach oben, also auf allen Vieren im Ziel ankommen werde.
Vor dem Start der erste Schreck
Dann der erste Schreck: Beim Staffellauf auf die Mühlenkopfschanze benötigte die Siegerstaffel unter vier Minuten! Äh, und jetzt? Wie lange brauche ich dann? Kein Plan. Abwarten, was bei den Einzelläufen so aufgerufen wird.
Noch ein Schreck! 5:32 Minuten hat der Sieger des ersten Laufs benötigt. Ich revidiere mein Zeitziel auf 15 Minuten, weil ich mir inzwischen eigentlich gar nicht mehr vorstellen kann, diesen unfassbar steilen Hügel hinaufzukommen.
Rennen und dann runter auf die Knie
Nach kurzem Warmlaufen muss ich Farbe bekennen. Da der untere Teil des Kurses noch relativ flach ist, versuche ich, hier in einem Rutsch so weit zu kommen, bis ich mehr oder weniger automatisch auf die Knie gehe.
Das klappt. Und tatsächlich zwingt mich die Schwerkraft kurz über dem „Hillsize-Punkt“ der Schanze nach unten. Ab jetzt wird gekrabbelt.
Pumpen, klettern, kämpfen
Was jetzt folgt, sprengt alles, was ich mir vorgestellt habe. Auf gefühlt senkrechtem Terrain kriechen wir Läufer Kraxler den Berg hoch. Ich pumpe und kämpfe. Es ist eine Kletterpartie auf einer recht gepflegten Wiese. Weil der Hügel kupiert ist, ist kein Ende in Sicht. Wenn es mir mal gelingt, nach oben zu schauen, sehe ich den Himmel.
Nach einer Ewigkeit nimmt die Steilheit etwas ab, und schließlich ist das Ende der Kletterei abzusehen. Ein großer, schwarzer Torbogen markiert den Übergang vom Aufsprung zum Schanzentisch. Weit ist das nicht, aber trotzdem unfassbar anstrengend. So, wie ich zig Höhenmeter weiter unten automatisch auf die Knie gegangen bin, spekuliere ich nun darauf, dass ich mich von alleine wieder aufrichte. Aber die Teilnehmer vor/über mir krabbeln noch. Aber etwas später klappt es tatsächlich, dass ich mich mehr oder weniger von alleine aufrichte und gehen, nein, wanken kann.
Weiche Waden, matschiger Kopf
Zwischen mir und dem Schanzentisch stehen unfassbar weiche Waden. Ich würde gerne im Sturm die Schanze angreifen, tatsächlich aber will ich einfach nur Pause machen, mich umdrehen und Fotos machen. Mein Kopf ist so matschig, dass ich mit der Kamera-App des Handys kämpfe. Das kostet Zeit, ist mir aber egal, und außerdem weiß ich gar nicht, was Zeit überhaupt ist.
Eine Holzrampe führt hinauf auf den Schanzentisch. Die Neigung ist okay, also mache ich voran. Doch im oberen Teil wird die Schanze super-steil. Holzlatten dienen als Treppenstufen, die ich in gefühltem Sturm nehme. Ich schaue gar nicht nach vorne, nur auf meine Füße. Aber ich krieche nicht, sondern bewege mich im Gegensatz zur Prognose an der Nummernausgabe noch mehr oder weniger aufrecht. Etwas überraschend erreiche ich den Startbalken und stoße mir fast den Kopf, als ich versuche, den kantigen Balken zu unterqueren. Muss ich aber gar nicht. Leicht desorientiert suche ich den Weg und verstehe viel zu spät, dass ich offenbar schon im Ziel bin. Da war doch noch was – die Uhr! Ich drücke viel zu spät und habe irgendwas mit zwölf Minuten auf der Anzeige. Auch das Mädel mit den Medaillen übersehe ich beinahe.
Ein paar Momente brauche ich, bis wieder Leben in den Kopf und die Beine einkehrt. Ich genieße den Blick, mache ein Foto und fühle mich prächtig und stolz.
Die Zeit am Ende: 11:39:52, Platz 79 von 103. Die Handy-Fummelei am Schanzentisch hat Zeit gekostet. Der Sieger ist in unfassbaren 4:37:44 nach oben gestürmt!
400 Meter, 156 Höhenmeter, 38 Grad, eine neue Erfahrung. Eine großartige Erfahrung!
Unglaublich, dass man da hochkraxelt.
Tolle Leistung!
Das ist ja total durchgedreht 🙂
Wie lange hast du denn für den Aufstieg gebraucht?
Haha, stimmt, das habe ich gar nicht geschrieben. Muss ich noch reinschreiben. Etwas über 10 Minuten, hab aber die Uhr erst bei 12 gestoppt, weil ich die Uhr vergessen habe.