Viele Läufer sind Asketen: drahtig, schlank, manche sogar muskulös. Bei mir gibt es Sixpacks höchstens im Kühlschrank. Denn für mich gilt: Das Schönste am Sport ist das Essen danach. Oder davor. Oder währenddessen.
In vielen Gesprächen, die man als passionierter Läufer unbedarften Nicht-Läufern ungefragt aufdrängt, kommt irgendwann eine Frage à la: „Wovor läufst du weg?“ Ist doch logisch — ich laufe vor zu vielen Kilos weg. Oder vor meinem dickeren Ich. Die ersten Schritte ins Läuferleben wagte ich schließlich, um nicht weiter zuzunehmen, ohne weniger essen zu müssen. Von Gewichtsabnahme war da noch längst nicht die Rede.
Inzwischen liege ich rund zwölf Kilo unter meinem Startgewicht. Tendenz: stagnierend bis leicht fallend. In der Marathonvorbereitung unterschreite ich schon mal die magische Grenze von 80 Kilo. Meist liegt das Gewicht jedoch bei 81 bis 82 Kilo.
Ohne schlechtes Gewissen reinhauen
Erfreulich daran: Ich kann mehr essen als früher. Ohne schlechtes Gewissen in Bezug auf mein Gewicht kann ich essen, worauf ich Appetit habe. Um Sahnetorten mache ich keinen Bogen, um Gyros oder Schnitzel ebenfalls nicht.
Doch neben dem erhöhten Kalorienumsatz hat das Läuferleben einen weiteren unschätzbaren Vorteil: Ich habe wirklich oft richtig Bock auf Salat oder anderes gesundes Essen. Hieß mein Lieblingsgericht früher einfach nu „Lecker und viel“, müsste es inzwischen eher „Lecker, gut, nicht allzu ungesund und gerne auch viel“ heißen. Klingt kompliziert? Ist es nicht.
Mit der „Fettlöserin“ und gutem Kantinen-Essen zur Marathon-Bestzeit
Mein Bewusstsein für gutes und gesundes Essen wurde durch den Sport, das verbesserte Körpergefühl und durch die Beschäftigung mit Trainings- und Ernährungsplänen geschärft. Ein gigantischer Dank geht diesbezüglich an „Fettlöserin“ Nicole Jäger, die mit ihren Tipps großen Anteil am gelungenen Projekt „Bestzeit“ beim Paris-Marathon 2016 hatte. Und an den Betreiber der WAZ-Kantine in Essen, der mit innovativer, fantasievoller und gesunder Küche jede Mittagspause zum Genuss gemacht hat.
Was geblieben ist, ist mein Faible für asiatisches Essen. Mein momentaner Favorit ist ein vietnamesisches Gericht namens Bun Bo Xao Sa, eine Art Salat mit Reisnudeln, Rindfleisch, Erdnüssen, Koriander und jeder Menge roter Chilis — ein Traum.
Essen als ständiger Begleiter
Ich esse einfach für mein Leben gern. Ich kann nicht zum Fußball gehen, ohne eine Bratwurst zu essen. Ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt ergibt ohne entsprechendes Essen keinen Sinn. Oft sind es allein die Gerüche, die mich wahnsinnig machen. Oder eine Erinnerung in mir verknüpft eine bestimmte Situation mit einem bestimmten Essen.
Ich bin nicht der einzige Läufer, der einen Kult ums genussvolle Essen bzw. Schlemmen betreibt. In den einschlägigen Gruppen auf Facebook ist es immer wieder eine Wonne, zu lesen, wie sich Ernährungsfanatiker und Genussfreaks gegenüberstehen. Einige Läuferinnen wie Teresa Walter wiederum sehen so unverschämt gut aus, dass es mir schwerfällt, ihnen ihre auf Instagram und anderswo zur Schau gestellte Liebe zu Pommes abzukaufen.
Essen als Motivation: per Pedes zu Kuchen und Torte
Eine spezielle Herausforderung für mich sind immer wieder Familienfeiern. Wenn abends ein Festmahl angesagt ist, laufe ich gerne tagsüber einen Trainings-Halbmarathon, um am Abend ohne Reue kräftig zulangen zu können. Noch spezieller sind Anlässe wie Ostern, Weihnachten oder Gebzrtstage bei meiner Schwiegerfamilie. Dort lauern Teller mit Süßigkeiten und Tabletts voller Torten und Kuchen.
Was tun im Angesicht des drohenden Kalorien-Stahlgewitters? Ich habe inzwischen meinen Weg gefunden — im wahrsten Sinne des Wortes: Ich laufe. Von Tür zu Tür sind es 25 Kilometer, da ist das eine oder andere Törtchen durchaus drin. Mittlerweile ist es weithin akzeptiert, dass ich immer mal wieder zu Fuß komme und vor dem Kuchen schnell noch unter die Dusche hüpfe.
Unbeschwert genießen
Wichtig ist mir, dass kein Zwang entsteht. Wenn das Wetter zu schlecht ist, um zum Kuchen zu laufen, reise ich halt mit dem Auto an und haue trotzdem rein. Und wenn am nächsten Morgen die Achillessehne zwickt und der lange Lauf ausfallen muss— egal. Der nächste Lauf kommt bestimmt, der nächste Salat ebenfalls. Laufen und Essen sind zwei wunderbare, sinnliche Dinge. Wir in unseren Breitengraden sollten dankbar sein, dass wir beides so unbeschwert genießen können.
in diesem Sinne: Haut rein! ??????
Jaaa. Genau!! Früher konnte ich essen, was ich wollte, ohne eine Gramm zuzunehmen. Mein Umfeld vermutete schon eine Schilddrüsenüberfunktion oder einen Bandwurm. Ha.ha! 🙂 Heute muss ich schon ein bißchen gucken. Seitdem ich aber laufe, passt es wieder…. Danke für den lesenswerten Blogpost.