Das war wohl nix. Ich wollte doch nur Alternativ-Training machen und entschied mich für einen kleinen Ausritt mit dem Fahrrad. Doch die Tour war beendet, bevor sie richtig angefangen hatte. Statt im Biergarten landete ich auf dem Boden der Tatsachen. Körperlich und geistig bin ich etwas aus der Balance geraten.
Dass der berühmte Boden der Tatsachen nicht immer hart sein muss, habe ich nun gelernt. Er kann weich sein, sehr weich sogar. Aber auch schmerzhaft, wenn er aus einem Bett aus Brennnesseln besteht.
Mein Fahrrad, die Hinterradbremse und ich
Schon auf dem ersten Bergabstück auf Asphalt spürte ich irgendwie, dass meine Hinterradbremse und ich an diesem Tag keine Freunde werden würden.
Dann kam es, wie es kommen musste: Ich bog in ein kleines Waldstück mit welligem Boden, das ich vom Laufen sehr gut kenne. Allerdings hatte ich unterschätzt, wie viel Tempo mein Rad auch auf kurzen Bergabstücken aufnimmt. Die Abfahrt war kurvig, der Boden voller Rillen.
Statt das Fahrrad einfach rollen zu lassen und den Gegenhang zu nutzen, bremste ich, verbremste mich und fuhr folgerichtig geradewegs in Richtung Brennnesseln.
Ein weiches Bett aus Brennnesseln
Noch auf meinen Landeplatz zurollend, sah ich vor meinem inneren Auge in Zeitlupe, was nun passieren würde: Ich würde rumpelnd ins satte Grün holpern und dann nach einem Satz über den Lenker in einem weichen Bett landen. Ich hoffte nur, dass ich unverletzt aus der Nummer rauskommen würde.
Und so kam es, ich flog ins Bett. Ein höllisch brennendes Bett. Kaum dass ich da lag, begann meine Haut zu brennen und zu jucken. Erste rote Pusteln erschienen an meinem linken Bein und am Arm, und vom Bereich unter der Hose kamen ebenfalls deutliche Signale. Ein erster kurzer Test ergab immerhin, dass offenbar nichts kaputt war, weder an mir noch am Fahrrad.
Weiche Landung mit lautem Knacken
Aber da war doch dieses laute Kacken, das ich bei der Landung gehört hatte. Ursachenforschung. Ich untersuchte das Fahrrad, fand aber bis auf einen etwas aus der Fassung geratenen Sattel nichts. Ich zog an den Bremshebeln – kein Problem, außer dass ich das Gefühl hatte, dass die hintere Bremse weniger Zug hatte als vorher. Mein Handy! Das musste es sein. Ich öffnete den Reißverschluss meines Hüftgurtes und fand: ein völlig intaktes Mobiltelefon.
Ich schaute noch mal auf mein Brennnessel-Bett – und da sah ich den Grund für das fiese Geräusch: Meine Trinkflasche war aus ihrem Halter geflogen und offenbar hatte das auf sie fallende Fahrrad das fiese Knack-Geräusch erzeugt. Doch selbst die Flasche hat den Sturz unbeschadet überstanden.
Und nun? Ein Rückschlag auf dem Weg zum Stelvio? Gebrochen ist nix, ich merke aber, dass ich etwas aus der Balance bin – körperlich und geistig. Der Aufprall war doch härter als gedacht. Ein erster, zaghafter Lauftest ergab aber zum Glück, dass ich zumindest das noch kann.
Nichts kaputt – und trotzdem Angst
Und der Triathlon? Keine Ahnung. In der Fahrrad-Werkstatt hieß es, mein Rad sei in Ordnung. Auch an der hinteren Bremse gebe es nichts auszusetzen.
Sagt der Fachmann. Mein Gefühl sagt etwas Anderes. Ich finde, der Hebel hat zu viel Spiel. In den letzten beiden Nächten bin ich vor Schreck aufgewacht, weil ich im Traum mit 50 km/h bergab auf meinem Arbeitsweg unterwegs war und nicht bremsen konnte. Der Gedanke, noch eine Trainingsfahrt mit einer langen Abfahrt zu machen, lässt mich schaudern. Ich werde eine weitere Werkstatt aufsuchen und eine zweite Meinung einholen.
Es wäre saudumm, vor dem Stilfser Joch noch irgendwas aufs Spiel zu setzen.