Das Leben als Hobby-Sportler ist hart. Du trainierst und trainierst, aber auf dem Treppchen stehen immer die Anderen. Doch beim Virtual Run des Stelvio Marathons war alles anders — ich habe gewonnen! Und das nicht obwohl, sondern gerade weil ich mittelmäßig bin.
Einmal auf dem Treppchen ganz oben stehen — was für ein Traum! Als spät ins Läuferleben gestarteter Hobby-Sportler habe ich allerdings nicht einmal im Traum daran geglaubt, irgendwann irgendwo irgendein Rennen zu gewinnen. Du kannst machen, was du willst — du landest irgendwo im Mittelfeld.
Unverhoffter Sieg am virtuellen Stilfserjoch
Genau das hat mir beim Stelvio Virtual Run, der virtuellen Variante des wegen des doofen Coronavirus‘ ausgefallenen Marathons am Stilfserjoch, zu einem unverhofften Sieg verholfen.
Denn gesucht wurden in den unterschiedlichen Kategorien (Distanz und Höhenmeter) nicht die schnellsten Läufer, sondern diejenigen, die möglichst genau die Durchschnittsgeschwindigkeit treffen würden. Salopp gesagt, wurde also jemand gesucht, der das absolute Mittelmaß verkörpert: ich. Als Belohnung winkten Freistarts für die Stelvio-Auflage im kommenden Jahr.
Keine Höhenmeter auf Baltrum
Es war ein absoluter Glücksfall, dass ich ausgerechnet am Wochenende des Stilfserjoch-Laufs auf der schönen Insel Baltrum sein würde. Keine Chance, Höhenmeter zu sammeln. Zum Glück gab es die Kategorie „0-500 Höhenmeter“.
Und so schleppte ich mich bei ziemlicher Hitze über den herrlichem Baltrumer Strand durch den tiefen Baltrumer Sand und ließ nach und nach alle Hoffnungen fahren, als sich meine Durchschnitts-Pace der 7-Minuten-Grenze näherte. „Bye, bye, Freistart“, dachte ich, als ich nach 26 Kilometern und 43 Höhenmeterchen die Uhr stoppte. 7:01 Minuten pro Kilometer hatte ich erreicht, 3:02:21 Stunden.
Beinahe hätte ich die Daten gar nicht an den Veranstalter geschickt. Doch dann dachte ich, dass es bestimmt einige Teilnehmer mit mehr Höhenmetern geben würde. Somit könnte meine Zeit doch eher im Mittelfeld angesiedelt sein, und schließlich hatte ich zwar keine Berge, aber jede Menge tiefen Sand.
Gewonnen! Freistart für den Stilfserjoch-Marathon 2021
Zwei Tage später dann der Hammer: Eine neue Mail ploppt auf, Betreff: „Gewinner Stelvio Virtual Run“. Joa, da stehen jetzt halt die Gewinner drin, denke ich und will schon löschen. Ich überfliege den Rest dennoch und stutze.
Lieber Stefan,
die Teilnahme am Stelvio Virtual Run 2020 hat sich gelohnt.
Deine Zeit lag am nähesten an der Durchschnittszeit und somit haben wir und deine Laufkomplizen der Kategorie Classic bis 500 hm dich zur Sieger gekürt.
Wir gratulieren dir recht herzlich zu deinem wohlverdienten Sieg.
Hier ist dein Code für die kostenlose Anmeldung beim Stelvio Marathon 2021: (verrate ich hier nicht)
Viel Spaß beim Training, wir sehen uns dann am 19.6.2021 an der Startlinie in Prad.
WATT?!?! Ich habe gewonnen?! Ich bin Erster Mittlerster geworden? Um 4:07 Minuten habe ich die Durchschnittszeit verfehlt, näher war niemand. Tatsächlich steht mein Name ganz oben in der Rangliste. Ein erhabenes Gefühl. Die Planung des Laufjahres 2021 hat sich damit von selbst erledigt.
Ein Hoch aufs Mittelmaß!
Das Konzept des virtuellen Stelvio-Marathons begeistert mich. Denn die Belohnung für eine absolut durchschnittliche Leistung würdigt die Mühen, die jeder Hobby-Athlet für seinen Sport auf sich nimmt. Wir trainieren neben Arbeit und Familie und all den Verlockungen, die am All-you-can-eat-Büffet so lauern. Wir sind mehr als nur Füllmaterial, damit beim Berlin-Marathon nicht nur Herr Kipchoge und seine Pacemaker auf der Strecke sind. Wir spülen Geld in die Kassen, zahlen Startgebühren, kaufen Merchandise und spielen bei dem ganzen Zirkus mit, der rund um Laufveranstaltungen zelebriert wird.
Doch wenn es um Resultate geht, sind wir niemand. Aber das ist falsch. „Jedermann-Rennen“ heißen im Radsport die Wettbewerbe für die Hobby-Sportler. „Jedermann“, nicht „Niemand“! Wir sind nicht niemand, wir sind jeder. Also wäre es doch toll, wenn es bei jeder Laufveranstaltung eine symbolische Ehrung in Form einer eigens gestalteten Medaille für die Teilnehmer je Altersklasse und Geschlecht gäbe, die den Durchschnitt verkörpern. Beim Berlin-Marathon sind das übrigens rund 3:42 Stunden (und somit ein Tick schneller als meine Bestzeit). Das ist eine mehr als respektable Leistung, und die sollte auch gewürdigt werden.
Ich fänd’s toll!
3 Antworten auf „Freistart am Stilfserjoch: Ein Hoch auf die Mittelmäßigkeit“