Noch eine Woche, dann ist es wieder soweit: Marathon-Zeit. Wieder liegt eine lange Vorbereitung hinter mir, wieder durchlebe ich sie, die sechs Phasen der Marathon-Vorbereitung.
Schluss! Ende! Aus! Nach ca. 550 Kilometern, verteilt auf 33 Läufe, ist die Vorbereitung auf den Köln-Marathon beendet. Es war eine im Rahmen meiner Möglichkeiten gute Vorbereitung.
Jetzt muss ich die antrainierten PS nur noch am Marathon-Tag auf die Straße bekommen.
Es läuft die letzte Woche, die Panik-Vorfreude-Woche, die letzte Phase. Phase? Ja, jede Marathon-Vorbereitung unterteilt sich in Phasen. Ich glaube, es sind sechs.
Die Phasen der Marathon-Vorbereitung
Phase 1: Euphorie
Lange bevor ich in den eigentlichen Plan einsteige, habe ich richtig Bock. Ich wälze Steffnys großes Laufbuch, schaue, welcher Plan der passende ist, es kribbelt im Bauch. Gehe ich die Sache konservativ an und nehme den 3:45er? Oder wage ich etwas und entscheide mich für den 3:29er?
Parallel dazu suche ich im Internet nach Trainingsplänen und Inspiration, Steffny wird das Grundgerüst bilden, Pläne von lauftipps.ch oder laufcampus.com sowie eigene Erfahrungen fließen mit ein. Es ist der Balance-Akt zwischen Information und Sich-verrückt-machen.
Es folgt die Kunst, Trainingsplan und Terminkalender miteinander in harmonischen Einklang zu bringen. Also tippe ich die Trainingseinheiten in mein Handy und plane mögliche Test-Wettkämpfe.
Phase 2: Ernüchterung
Ich habe die Schuhe noch gar nicht geschnürt und schlage trotzdem hart auf dem Boden der Tatsachen auf.
Nichts passt! Sonntagsdienste, Champions League, Bundesliga, Familienfeiern – mein Leben scheint aus einer Aneinanderreihung von knallharten Abwehrspielern zu bestehen, die mein Marathon-Training mit brutalen Blutgrätschen sabotieren wollen.
Ich modifiziere den Plan, lege Sonntagsläufe auf Samstage, Dienstagsläufe auf Mittwoch und so weiter. Zum ersten Mal bin ich ernüchtert. Wie soll ich das schaffen?
Phase 3: Training, Training, Training
Endlich geht es los! Zehn Wochen vor dem Startschuss steige ich ein und eröffne die Vorbereitung. Der erste Lauf, egal, wie lang oder schnell, ist ein besonderer. Er ist der Auftakt zu einer Serie mit Läufen an jedem zweiten Tag. Ab heute gibt es kein Wetter mehr, nur Bedingungen. Ich laufe bei Regen, bei Dürre und bei Schnee.
Der Plan wird zum Lebewesen, das sich im Käfig meines Alltags ausbreitet und jede Nische besetzt. Ich bin jetzt Sportler und warte, dass ich endlich für Olympia nominiert werde.
Zum Laufen gesellen sich sporadisch Kraft- und Stabitraining für die vernachlässigte Körpermitte.
Phase 4: Zweifel und Begeisterung
„Und DAS soll ich beim Marathon über die doppelte Distanz schaffen?!“ – in jeder Vorbereitung gibt es diesen Lauf (wenn’s gut läuft, ist es nur einer), nach dem ich für mindestens einen Tag lang beschließe, die Schuhe an den Nagel zu hängen. 21 harte Kilometer lassen mich an mir zweifeln, 30 oder 32 wirklich anstrengende Kilometer werfen die Frage auf, wie ich an Tag X bitte schön zwölf oder zehn Kilometer länger und schneller laufen soll.
Dann wiederum gibt es viele, viele Trainingseinheiten, nach denen ich am liebsten zum DLV schreiben und fragen möchte, warum ich nicht im Leistungskader stehe. Ich fühle mich gut, das Training wirkt.
Phase 5: Experimente
Je näher der magische Tag rückt, desto unsicherer werde ich. Ich beginne mit Experimenten, fummele an meiner Ernährung, hole mir Eiweißpulver, lese Artikel, suche Infos, mache eine Diät.
Am liebsten würde ich mir neue Schuhe kaufen, weil unter den zehn Paaren in meinem Regal garantiert nicht dieses eine ist, mit dem ich meine Top-Leistung abrufen kann. Nehme ich den ollen Saucony Kinvara 7, der sich plötzlich als Langstreckler entpuppt? Oder den bewährten Brooks Ravenna?
Welches Gel nehme ich, um Himmels Willen? Gerade rechtzeitig bringt Maurten sein neues Wunder-Gel auf den Markt – noch mehr Wahl, noch mehr Qual. Ich kaufe fünf Päckchen.
Die Experimentier-Phase dauert bis etwa eine Woche vor dem Start.
Phase 6: die letzte Woche – Vorfreude und Panik
Rien ne va plus! Es ist Montag. Gestern habe ich einen letzten langen, langsamen Lauf absolviert. Es war sehr schwer, langsam zu laufen. Der Körper will, der Kopf erst recht.
Wieder staune ich, wie ich es schaffe, über diese zehn Wochen ein Feuer in meinem Körper zu entfachen, das von Tag zu Tag stärker lodert.
Noch eine Woche, dann ist Volldampf angesagt.
Ich werde zickig. Am liebsten würde ich mich zu Hause einschließen und mich dieser virenverseuchten Welt entziehen. Wer auf der Arbeit hustet, wird beschimpft. In der Bahn fasse ich die Haltestange nur mit dem Ärmel an. Ich esse nur noch gesund. Currywurst hat Pause.
Jedes Kribbeln in der Nase wird kritisch beobachtet, ich überlege, ob ich nicht doch noch eine Präventionskur mit all den unnützen Mitteln mache, die es in der Apotheke gibt.
Von mir aus kann’s losgehen! Ich freue mich auf den Start, auf die Strecke – und auf das (hoffentlich) geile Gefühl im Ziel!
Ja, Mensch. Du machst das ja richtig mit Akribie, mit Trainingsplan und Struktur. Sowas würde mir nie einfallen. Oder besser: habe ich keine Lust zu. Okay, dann kommt halt sowas raus, wie beim Kassel Marathon… ^^
Von daher – das wird schon. Ich drücke mal feste die Däumchen.
Danke! 🙂
Ja, reiner Selbstschutz. Ich wäre viel zu faul, wenn ich keinen Plan hätte. Wenn im Kalender 30 km stehen, stehen 30 km im Kalender. Steht da nix, steht da nix – dann mache ich auch nix. 🙂
Ist es wirklich so gut, in einem späten Schritt mit Experimenten von z.B. der Ernährung zu beginnen? Nach 3 Jahren versuch ich mich erneut an einem Marathon und bereite mich darauf vor. Da ich denke, dass eine passende Unterstützung sehr helfen würde, wende ich mich an einen Experten für professionelle Marathonvorbereitungen.