Wenn es in der Laufliteratur zwei Standardwerke gibt, dann das „große Laufbuch“ von Altmeister Herbert Steffny und die „Laufbibel“ von Dr. Matthias Marquardt. Beide Bücher liegen in der jeweils neuesten Auflage auf meinem Tisch. Eine Doppelrenzesion.
Von Steffnys großem Laufbuch hatte ich bereits eine vorausgegangene Auflage. Meinen ersten Marathon finishte ich nach Vorgaben von Steffny, bei den danach folgenden Marathon-Vorbereitungen bildeten Steffny-Pläne mindestens das Grundgerüst. Ich bin also vielleicht ein bisschen voreingenommen.
Herbert Steffny: Das große Laufbuch
Was mich bei Steffny immer ein bisschen gestört hat, ist die etwas altbackene Weise. Seine Anekdoten aus seinem eigenen Wirken als Leistungssportler und Trainer wirken manchmal etwas aus der Zeit gefallen. Sie sind auch nicht immer zielführend, helfen aber in Punkto Wettkampfpsychologie.
Es gibt überdies modernere Trainingsmethoden und neue Fitness-Trends, die bei Steffny bislang keine oder kaum eine Rolle spielten. Das hat sich nun geändert.
Die Neuauflage ist nicht nur optisch (das neue Layout wirkt viel frischer als das alte) in der Gegenwart angekommen, auch inhaltlich hat der Altmeister sein Buch aufgepeppt. Er widmet sich verstärkt dem Thema „Abnehmen und Wettkampfgewicht“ – ein Themenkomplex, der gerade bei Hobbyläufern – und die sind ja Steffnys Zielgruppe – immer aktuell ist.
Eigenes Kapitel für Frauen
Die Mädels in der Lauflandschaft haben nun ein eigenes Kapitel, statt in der Randgruppensektion „Kinder-, Frauen- und Seniorenlaufen“ abgehandelt zu werden. Steffny gibt einen Überblick über den Kampf, den Frauen führen mussten, um überhaupt an Langstreckenläufen teilnehmen zu dürfen. Ferner geht hier auf Eigenheiten des weiblichen Körpers ein und erklärt beispielsweise, wie unterschiedlich die Stoffwechsel von Männern und Frauen funktionieren und dass Frauen aufgrund ihrer größeren Fettreserven Vorteile bei wachsenden Streckenlängen haben. Auch auf medizinische Aspekte geht Steffny ein.
An vielen Stellen hat Steffny neue Erkenntnisse eingearbeitet. Trends wie Faszien-Training oder hochintensives Intervalltraining bekommen mehr Raum. Unverändert sind die Trainingspläne.
Gerade hier hätte ich mich über ein paar Neuerungen gefreut. Aber vermutlich wäre das gar nicht nötig. Denn Steffnys Pläne sind zwar hart und umfangreich – aber die funktionieren.
Info: Herbert Steffny, „Das große Laufbuch“, Südwest-Verlag, 26 Euro
Dr. Matthias Marquardt: Die Laufbibel
Während Herbert Steffny mit der Autorität eines mehrfachen Marathon-Siegers und Diplom-Biologen schreibt, wirft Matthias Marquardt seinen Beruf als Arzt in den Ring. In der Theorie herrscht also Gleichstand zwischen den beiden Autoren.
Anders als Steffny, der in seinem Buch so tut, als habe er es mit jemandem zu tun, der gerade noch überlegt, mit dem Laufen zu beginnen, kommt Marquardt gleich zur Sache.
Klar, auch die Laufbibel beginnt mit einem theoretisch-medizinischen Teil und geht auf die gesundheitlichen Vorteile und die Gefahren des Laufsports ein. Doch kurz darauf wird es schon sehr praktisch, denn Marquardt widmet sich der Lauftechnik.
Laufbibel mit mehr Liebe zum Detail als das große Laufbuch
Die Gliederung der Laufbibel wirkt sehr viel praxisnaher als die Aufteilung in Steffnys großem Laufbuch. Marquardt zeigt in seinen Beschreibungen allerdings mehr Liebe zum Detail. Das zeigt sich unter anderem im Kapitel „Ernährung“.
Herzstück der Laufbibel ist der Mittelteil zum Thema Trainingspläne. Wobei der Titel täuscht. Hier findet der Leser keine Sammlung von Plänen à la „Marathon in 3:30 Stunden“. Die stehen woanders. Marquardt geht hier auf Trainingsmethoden in den Bereichen Athletik, Kraft und Beweglichkeit ein und erklärt anhand zahlreicher Bilder, wie einzelne Übungen funktionieren.
Dieses Kapitel ist der praktischste Teil des Buchs und kann jederzeit als Nachschlagewerk dienen, wenn ein Läufer ausnahms- und vernünftigerweise doch mal Kraft- oder Athletiktraining machen will.
Trainingspläne: immer in doppelter Ausführung
Marquardt bietet 16-Wochen-Pläne an, die er dann auch noch in doppelter Ausführung liefert. Es gibt eine „Distance“-Variante, die mehr Wochenkilometer umfasst, und eine „Intensity“-Form, die weniger Einheiten beinhaltet, die dafür länger und härter sind. Um herauszufinden, welche Variante die richtige ist, sollte man allerdings zuvor das Buch durchgearbeitet haben.
Sehr gut in Marquardts Plänen sind die gesondert aufgeführten Blackroll- oder Lauf-ABC-Einheiten, die man ja als Hobbyläufer gerne schludert. Aber wenn es schwarz auf weiß geschrieben steht, bekommt das ungeliebte Training automatisch mehr Bedeutung.
Info: Dr. Matthias Marquardt, „Die Laufbibel“, Spomedia-Verlag, 29,95 Euro
Fazit: Zwei Standardwerke, die sich in nichts nachstehen
Nach intensivem Blättern, Stöbern und Querlesen bleibt der Eindruck von Steffnys großem Laufbuch: Es ist weiterhin ein Standardwerk. Wer in seinem Bücherregal nur Platz für ein einziges Laufbuch hat, macht mit Steffny bestimmt nichts falsch. Die Trainingspläne passen, die Informationen zu Training, Ernährung und Gesundheit sind nicht wahnsinnig originell, aber sie stimmen – und darauf kommt es ja an.
Gleiches lässt sich über die Laufbibel sagen. Das Buch vermittelt eine Fülle an Informationen, etwas wissenschaftlicher und weniger anekdotisch als Steffny. Pluspunkte sind die geballt im Anhang stehenden Trainingspläne sowie der umfangreiche Trainingsteil in der Buchmitte. Als Mediziner legt Marquardt einen Tick mehr Augenmerk auf das Thema Gesundheit. Das in letzter Zeit immer populärer werdende Thema „Mentaltraining“ lassen beide Autoren außen vor – aber da gibt es ja auch ganz andere Spezialisten.
Beide Bücher stehen sich in nichts nach und dürfen sich die Bezeichnung „Standardwerk“ teilen. Wer es unterhaltsam und informativ mag, sollte zum Steffny greifen. Wer die Fachkompetenz nüchterner verpackt lesen möchte, dem sei die Laufbibel empfohlen.
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