Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Und wie er funktioniert hat! Am heimischen Phoenixsee sollte endlich eine neue Bestzeit her. Am Ende wurde es hart, aber geil. Geholfen hat – mal wieder – ein Ärzte-Song.
Was macht man nicht alles vor einem Lauf, um fit an der Start- und erfolgreich an der Ziellinie zu sein. Einen Eiweiß-Shake und einen Liter Rote-Bete-Saft habe ich am Tag vor dem Phoenixsee-Halbmarathon in mich reingekippt. Reis habe ich gegessen, beim Fußballgucken nur ein kleines Bier getrunken, gut (naja) geschlafen.
Rote Bete hilft, Training auch
Ich muss jetzt aber mal ein Geheimnis lüften: Du kannst so viel Rote Bete, Reis und Eiweiß zu dir nehmen, wie du willst. Das alles bringt aber nix, wenn das Training nicht stimmt. Und mein Training stimmt momentan einfach. Dafür (Achtung, Werbung) einen megafetten Dank an meinen Trainer Helmut Bezani von Lauffieber Dortmund.
So hatte ich schon beim und nach dem A46-Lauf das ganz, ganz sichere Gefühl, dass ich am Phoenixsee endlich die verflixte 1:50 knacken würde. Wurde auch Zeit, nachdem es beim Venloop 2018 ja knapp nicht geklappt hatte. Da die rechte Wade ein bisschen gezwickt hat, habe ich auch auf kleine Aufwärmläufchen verzichtet und mich lieber mit der Blackroll gequält.
Perfektes Bestzeit-Wetter am Renntag
So, zum Renntag. Aufstehen, Frühstück und so spule ich mal vor. Kennt ihr diese Berichte, die mit „Um 6.30 Uhr klingelte der Wecker…“, anfangen? Immer schön, wenn dann wenigstens die Infos über Stuhlgang und Zähneputzen geskipped werden. Es folgt dann meist eine sehr detaillierte Beschreibung der Kleiderwahl, der Anreise… äh, ich schweife ab.
Ich stehe also am Start und genieße das stabile Wetter. Nicht zu kalt, nicht zu warm – Bestzeit-Wetter! Zuvor hatte ich mit Plaudertasche Sven und meinem Freund Sascha noch gequatscht. Die beiden wollen ankommen, ich will ballern.
Überpacen unmöglich, rechnen auch
Startschuss, antraben. Es ist voll. Heute kann ich nicht überpacen, dafür ist gar kein Platz. Gemütlich geht es los. Okay, 5:05 ist gar nicht so gemütlich, sondern flotter als geplant. Aber in mir flüstert ein Stimmchen, dass das heute egal ist.
Am See entlang trabe ich im geplanten Korridor von 5:05 bis 5:20. Läuft also. Das Mathematik-Genie in mir versucht die von der Uhr hochgerechnete Fünf-km-Zeit mal vier zu rechnen. Ich scheitere. Lieber laufen. Phoenix-West vergeht wie im Flug. Auf dem Weg zum Westfalenpark laufen zwei junge Mädels auf mich auf. Zum Witzeln ist ja immer Luft da, also frage ich, ob sie Staffelläuferinnen sind. „Nein“, sagen sie. „Dann überholt mich nicht, das ist inakzeptabel“, antworte ich und grinse. Ich glaube, so ganz haben sie die Ironie nicht verstanden. Kennt ihr das vom Marathon, wenn bei Kilometer 32 plötzlich Leute an einem vorbeirennen, als sei der Teufel hinter ihnen her? Das sind Staffelläufer. Nicht motivierend.
Neue Matheaufgabe im Westfalenpark
Westfalenpark, Bergwertung. Der Weg zum Florian zieht sich, ich nehme Tempo raus und gebe erst bergab Gas, Pace unter 5:00. Neue Matheaufgabe: Für zehn Kilometer errechnet die Uhr 52 Minuten. Ich verdopple auf 104 und vermute, dass das 1:44 Stunden sind. Finde ich gut, dann wird’s ja was mit der 1:49:59.
Ich denke nur an meine Zeit, bin total auf den Lauf fokussiert, nur im Hier und Jetzt. Ich liebe das! Keine Fotopausen, kein Gedöns. Hier und da mal ein lockerer Spruch (noch habe ich Luft, das ändert sich aber bald), aber ansonsten zählt nur laufen. Endlich mal wieder richtiger Sport!
Auf der Suche nach den verlorenen fünf Minuten
Uuuund da schlägt das Mathe-Genie wieder zu: Zehn km sind weg, die Uhr springt auf Halbmarathon-Prognose um: 1:49:38. WATT?!?! Frust macht sich breit. Ich gehe die vergangenen zwei, drei Kilometer durch und suche nach Stellen, wo zum Henker ich fünf Minuten verloren haben soll. Mir fällt nix ein.
Aber dann: Wie lang, Herr Reinke, ist so ein Halbmarathon denn wohl? Aaah! Einundzwanzigkommaeins Kilometer. Das ist nicht, ich wiederhole: NICHT! das Doppelte von zehn. Ich beömmele mich innerlich über meine Blödheit und sehe mich perfekt, vielleicht einen Tick zu knapp im Plan. Hoffnung gibt mir, dass meine Uhr gegenüber den Streckenmarkierungen um ca. 200 Meter hinkt, ich also noch ein Pölsterchen habe.
Den Rombergpark lasse ich hinter mir (komisches Gefühl, auf der Hausstrecke so unterwegs zu sein), BMW naht. Für mich die schlimmste Stelle der Strecke. Die Schleife über den Hof des Autohauses nervt mich irgendwie, obwohl hier allein durch den Staffelwechsel echt gute Stimmung herrscht. Aber danach kommt so ein kleiner, fieser Anstieg, der mit 14 km in den Beinen überhaupt keinen Spaß macht. Und danach kommt der ödeste Teil der Strecke: Phoenix-West.
Vokuhila – laufen, bis Die Ärzte kommen
Auf Phoenix-West hat der Kopf Zeit, darüber nachzudenken, wie anstrengend das hier gerade ist. Keine Stimmung, gähn. Blöd ist, dass der Kopf die Beine echt kaputt machen kann. Ich spüre aber, dass hier heute was geht. Ich denke an meinen Laufstil, der schwerer wird. Und plötzlich sind sie da: Die Ärzte. „Vokuhila, du bist der Star, von dem der Chor hier singt“, dröhnt es in meinem Kopf. Die Ärzte hatten beim Paris-Marathon schon geholfen.
Kleiner Exkurs in die Welt der Trainingslehre (*aufdiekackehau*): Auf der Suche nach der richtigen Lauftechnik ist „Vokuhila“ eines der Zauberwörter. Der Schritt soll vorne kurz schwingen und nach hinten lang pendeln. Das erhöht das Tempo und verringert die Anstrengung. Wenn man’s kann, zumindest.
Ich werde schneller
Ich bilde mir von jetzt an also ein, ich würde schön Vokuhila-mäßig laufen, achte auf meinen Aufsatz, während in meinem Kopf Die Ärzte ein „Voku! Hila!“-Stakkato singen. Total bekloppt: Ich werde echt schneller! Einbildung ist ja auch ’ne Bildung, und ich werde allein durch meine eingebildete Vokuhila schneller. Ich würde gerne auf Video sehen, ob meine Technik wirklich plötzlich besser wurde.
Is aber auch egal. Laufen gut, Kopf singt bekloppte Lieder, Uhr brav. Uhr sogar so brav, dass sie mich inzwischen mit 1:48:30 ankommen sieht.
Auf dem Weg zum See versucht jemand (Norbert?) mit mir zu sprechen, bzw. er kann mit mir sprechen, ich kann nicht antworten, winke ab. Er interpretiert das so, als könne ich nicht mehr, dabei kann ich einfach nur nicht antworten. Ich hab gerade echt Sport, so richtig mit Kopf (Voku! Hila!) und Beinen. Ich denke an Mentalitätsmonster und Kampf (Voku! Hila!) und daran, dass ich in drei Kilometern jubelnd ins Ziel laufen werde – gefälligst!
Die Zielrunde um den See ist reines Heimspiel. Ich kenne jeden Knick der Strecke, jede Bodenwelle. Ich kann jetzt laufen. Die 1:48:xx stabilisiert sich, und ich habe ja noch 200 Meter im Sinn. Das Schild mit der 20 erscheint. Am liebsten würde ich jetzt schon jubeln. Innerlich grinse ich (Voku! Hila!) und renne weiter. Die doofe Rampe zur Straße hoch nehme ich im Sturm. Eine Kurve, Lauffreundin Tanja ruft meinen Namen, der Zielbogen ist nah.
Ich fuchtele mit den Armen und jubele. Keine Vokuhila mehr, am liebsten würde ich hüpfen. Jubelpose, Ziellinie, Uhr abdrücken, brüllen! Ich bin sowas von erleichtert und glücklich! 1:47:36 – besser geht’s einfach nicht.
Dank für die tolle Organisation
Das gilt übrigens für die gesamte Veranstaltung. Sogar das Wetter hatte die Orga im Griff. 🙂 Nachdem sich allmählich die Baustellensituation am See lichtet, wird es den Organisatoren rund um Marcus Hoselmann etwas leichter gemacht. Auch die Einbindung der Hörder Burg war super, ebenso die neue Versorgungszone im Ziel.
An der Strecke standen km-Schilder nur bei 1, 5, 10 und 20. Eigentlich reicht das. Unterwegs hatte ich mich zwar gewundert, aber letztlich dienen die Schilder ja nur, um zu schauen, ob die Uhr stimmt. Aber nachdem es in den vergangenen Jahren immer was zu meckern gab (auch wegen der beengten Verhältnisse), fällt mir dieses Jahr echt nix ein. Danke!
4 Antworten auf „Phoenixsee-Halbmarathon – perfektes Rennen dank Vokuhila“