Gäbe es den Neujahrslauf am Phoenixsee in Dortmund noch nicht, müsste man ihn erfinden. Das Konzept ist klasse und ermöglicht es, Gute-Vorsätze-Läufer, Hobbyläufer, ambitionierte Freizeitsportler und Profis zwanglos auf einer Strecke zu vereinen. Doch leider offenbarten sich bei der 2018er Auflage auch ein paar organisatorische Mängel und grundsätzliche Probleme des Phoenixsees als Veranstaltungsort.
Für alle, die den Neujahrslauf nicht kennen, hier kurz das Konzept: Eine Runde um den See hat ca. 3,3 km. Beim Neujahrslauf kann jeder Teilnehmer entscheiden, wie viele Runden gelaufen werden. Einsteiger oder ganz Flotte Flitzer wählen eine Runde, gemütliche Läufer peilen drei bis vier Runden an, Menschen wie ich setzen sich fünf als Minimalziel und hoffen auf eine sechste. Wer richtig, richtig gut ist, schafft acht Runden, was bei der 2018er Auflage genau einem Läufer gelungen ist. Nach 90 Minuten ist Schluss, wer kurz vor Ultimo noch über die Linie fitscht, darf eine Bonusrunde laufen.
Kein Gesamtsieger, aber viele Gewinner
Aufgrund dieses Konzepts gibt es keinen Gesamtsieger, aber viele Einzelsieger. Und irgendwie darf sich jeder als Gewinner fühlen, der es geschafft hat, sich bei widrigen Umständen zum zugigen Geläuf am See aufgerafft zu haben.
Das macht den Neujahrslauf zwanglos und beim Laufen unübersichtlich, weil man nie weiß, ob der Läufer, den man gerade überholt oder von dem man überholt wird, dieselbe Rundenzahl anpeilt wie man selbst.
Zuversichtlich mit dem Trainee am Start
Am Start stand ich mit meinem Padawan Wiggy. Klirrend kalt war es, so bibberten wir mit dem Starterfeld bei zwei Grad und Ostwind dem Startschuss entgegen und ich fragte mich, wie sich meine seit dem Silvesterlauf immerhin sechstägige Laufpause auf meine Kondition ausgewirkt haben würde (Antwort: Sie hat zumindest nicht geschadet). Relativ locker liefen wir los, steigerten uns auf dem engen und vollen Kurs allmählich, um es in der zweiten Runde, als sich das Feld in die Länge gezogen hatte, etwas flotter angehen zu lassen.
In Runde Drei ließ ich Wiggy ziehen (längere, jüngere Beine) und suchte mir ein gemischtes Trio der Pacepack Runners als neue Begleitung aus. Dass der Schüler dem Meister in unschöner Regelmäßigkeit wegläuft, macht mir allmählich Sorgen. Ich fühle mich ein bisschen wie Obi-Wan Kenobi, dem sein Schüler Anakin über Kopf wächst.
Relive ‚Neujahrslauf 2018‘
Ab Mitte der vierten Runde musste ich auch das Pacepack-Trio seines Weges laufen lassen und war fortan völlig allein inmitten des großen Läuferfeldes.
Im Wohlfühltempo um den See
Alleine laufen ist ja genau mein Ding, und so fand ich schnell mein persönliches Wohlfühltempo, lief die vierte Runde zuende und spekulierte zu Beginn von Seeumrundung Nummer Fünf kurz auf eine sechste Runde. Aber darüber würde ich mir Gedanken machen, wenn es soweit wäre, also in ungefähr drei Kilometern. Es würde eh knapp.
Aber sowas von knapp! Als meine Laufuhr irgendwas mit 1 Stunde und 28 Minuten anzeigte, wusste ich, dass es eng werden würde, weil mir zur Bruttozeit rund eine Minute fehlte. Also Tempo verschärfen. Ich bog um die Ecke und sah die offizielle Uhr: 1:29:20! Noch 40 Sekunden bis zur Bonusrunde. Ich blickte kurz hoch, schätzte die Entfernung, fragte meine Beine nach ihrer Meinung — und überstimmte sie.
Tempo! Tempo! Tempo!
Mit großen und schnellen Schritten gab ich Gas und eilte Richtung Startlinie. Den Abzweig zum Ziel würdigte ich keines Blickes. Vom Streckenrand hörte ich meinen Namen, der Streckensprecher erwähnte meinen Spurt anerkennend. Der Zielbogen kam näher, in den Oberschenkeln grüßte das Laktat. Geschätzt bei 1:29:58 überquerte ich die Linie — Bonusrunde geschafft!
Die lief ich im Scheißegal-Tempo. Ich hatte mein Ziel ja erreicht, Letzter würde ich wohl auch nicht werden, da immer noch Vier- und Fünf-Runden-Läufer auf der Strecke waren. Also lief ich die 3,3 km locker in 18:50 Minuten runter. Am Ende war ich hochzufrieden mit einem gelungenen Start ins Laufjahr und in die Vorbereitung auf den Paris-Marathon.
Im Ziel begann dann wieder das große Frieren. Womit ich dann auch bei den Punkten wäre, die es am Neujahrslauf zu kritisieren gibt.
Kritikpunkte am Neujahrslauf
So schön ich den Lauf am See finde, so schade finde ich, dass es immer noch leichte organisatorische Defizite gibt. Hier die Punkte, die sich aus mehreren Gesprächen mit Mitläufern ergeben haben:
- Keine vernünftige Klamottenabgabe: Bei einem Winterlauf, bei dem mit Temperaturen um den Gefrierpunkt zu rechnen ist, sollte der Veranstalter damit rechnen, dass die Teilnehmer mit Gepäck anreisen. Es gibt aber keine bewachte, organisierte Aufbewahrung. Also laufen die Läufer nach Abholung ihrer Startunterlagen zu ihren Autos und wieder zurück. Die geöffneten Bäcker am See quellen vor Läufern über, die sich vor dem Start aufwärmen oder ihren Klogang nicht bei Eiseskälte verrichten wollen. Wenn die sponsernde und namensgebenden Krankenkasse Viactiv statt eines Werbestandes eine vernünftige Gepäckaufbewahrung anböte, wäre das fabelhaft.
- Zu wenig Klos: Wie gesagt, ist es arschkalt. Da ist jeder Meter in der Dixischlange einer zu viel. Das beliebteste Klo ist das der Bäckerei Brinker.
- Zu wenig warme Plätzchen: Nein, ich meine nicht das Angebot der Bäcker, sondern fehlende Möglichkeiten, sich vor und nach dem Lauf aufwärmen und mit Freunden quatschen zu können. Ein paar Zelte wären hilfreich.
- Lange Brötchenschlange: Ich finde es klasse, dass die ursprünglich namensgebende Bäckerei Brinker immer noch am Start ist und allen Finishern zwei Gratisbrötchen mit auf den Heimweg gibt. Aber müssen die in der Filiale ausgegeben werden? In verschwitzten Klamotten in der eisigen Kälte vor der Bäckerei zu stehen, macht keinen großen Spaß. Könnten die Brötchen nicht einfach draußen ausgegeben werden — etwa zusammen mit den Medaillen, die beim Neujahrslauf traditionell Tassen sind?
- Apropos Tassen! Da rennt man wie blöd, um noch eine sechste Runde laufen zu dürfen, kommt zur Medaillen(Tassen)ausgabe — und steht dort vor einem leeren Tisch. Sehr ärgerlich. Sehr nett aber auch, dass die Läufer, die am Lauftag leer ausgegangen sind, ihre Tasse in den kommenden Tagen bei Laufsport Bunert abholen können. Läufern von außerhalb wird das allerdings nicht helfen.
Phoenixsee ist für Laufveranstalter eine Herausforderung
Natürlich ist die Location am Phoenixsee für große Laufveranstaltungen immer eine Herausforderung. Da das ganze Gelände an der Westspitze des Sees offenbar auf Teufel-komm-raus bebaut werden muss, bleibt solchen Veranstaltungen viel zu wenig Platz. So endet beispielsweise der Halbmarathon immer wieder im Gedränge. Schade, dass die Stadt Dortmund bei ihren Planungen so etwas nicht berücksichtigt hat.
Eine Lösung könnte sein, die Laufveranstaltungen nach Phoenix-West umziehen zu lassen, wo es reichlich Platz gibt und mit der Phoenix-Halle oder mit dem riesigen Schalthaus sogar überdachte Rückzugs- und Umkleidemöglichkeiten vorhanden wären. Der See wäre dann allerdings bloß noch Teil der Wegstrecke und nicht Hauptschauplatz. Und es wäre auch grundsätzlich einfach dumm, Veranstaltungen vom See weg zu schicken. Der See ist Hördes neues Herzstück und kann daher gar nicht oft genug genutzt werden. Hier ist die Stadt gefordert, den Veranstaltern vernünftige Bedingungen zu bieten, statt sie durch immer mehr Bebauung wegzuekeln.
Es wird noch enger
In einer großen Stadt wie Dortmund (von mir noch jüngst als Lauf-Paradies bezeichnet) muss es einfach möglich sein, ein Areal wie das rund um den Phoenixsee auch für Großveranstaltungen zu nutzen. Ehrlich gesagt, ist es eine Schande, dass der See zwar hervorragend für Trainingsläufe geeignet ist, Laufveranstalter aber immer wieder vor große Herausforderungen stellt. Eine Besserung ist nicht in Sicht, denn inzwischen dürften alle Brachen verkauft sein. In Zukunft wird es also noch enger.
Ja, Stefan, das passiert, wenn etwas zu erschließen so teuer ist. Da müssen Investoren auf Teufel komm raus geholt werden. Aber Platz für Zelte und Zielverpflegung gäbe es ja noch genug. Zwischen Burg und AOK, wo ehemals der Zieleinlauf HM war. Auch bei den Brötchen stimme ich dir zu.
Ich war in 2017 Dritter über 6 Runden und geehrt wurde nur der 1. Gesamt.
All Deinen anderen Verbesserungsvorschlägen stimme ich voll zu. Auf meiner Tasse steht der 8. Januar 2017, die Veranstaltung war wegen Wetters aber erst am 15. Januar.
„Auf meiner Tasse steht der 8. Januar 2017, die Veranstaltung war wegen Wetters aber erst am 15. Januar.“
Really? Das ist natürlich mega-dramatisch, dass der Veranstalter es nicht auf die Kette bekommen hat, innerhalb von sieben Tagen die 8. Januar-Tassen zu verschrotten und neue 15. Januar-Tassen zu produzieren.
Oder habe ich die Ironie übersehen?
Wie ist es da eigentlich beim Triathlon zugegangen? Da war ja nur Lob zu hören und zu lesen.