Wenn nichts dazwischen kommt, reise ich Anfang April zum vierten Mal in Folge zum Marathon nach Paris. Es wird mein Paris-Hattrick, denn einmal – beim ersten Mal – ist tatsächlich etwas dazwischen gekommen. Und trotzdem: In den Marathon de Paris habe ich mich verliebt. Eine Liebeserklärung…
Ich liebe Paris. Wenn ich mir aussuchen dürfte, in welcher Stadt, die nicht Dortmund heißt, ich mal eine zeitlang wohnen möchte, dann würde ich mich ganz bestimmt für Paris entscheiden. Als ich vom Paris-Marathon erfuhr, war ich entsprechend Feuer und Flamme.
Im Herbst hatte ich die Veranstalter angeschrieben und nach einem Presse-Startplatz gefragt, weil ich ja schließlich auch irgendwie beruflich laufbloggend unterwegs war. Ich wurde auf Anfang des Jahres vertröstet. Ungeduldig wartete ich auf Januar, um erneut nach dem Startplatz fragen zu können.
Jetzt erst recht! Je suis Marathoni!
Dann passierte es: Das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo. Ich war schockiert. Und während die halbe Welt darüber diskutierte, ob Weltstädte noch sicher wären, fasste ich mir ein Herz und schrieb die Veranstalter an, dass ich jetzt mehr denn je und überhaupt jetzt erst recht in Paris an den Start gehen wolle. Einen Tag später hatte ich meine Startnummer und verkündete der Welt voller Stolz „Jetzt erst recht! Je suis Marathoni!“.
Ich startete in die heiße Zwölf-Wochen-Phase des Trainings und absolvierte nebenher noch den einen oder anderen Laufblog-Termin, zum Beispiel einen 12-Stunden-Lauf bei Schnee und Eis am Schwerter Ebberg. Bei dieser Veranstaltung zogen erste dunkle Wolken über meinen Paris-Plänen auf. Mein rechtes Wadenbein begann zu blockieren und Läufe über mehr als zehn Kilometer unmöglich zu machen. Und das, wo ich in Paris doch zur neuen Bestzeit rennen wollte.
Später kam noch ein Faserriss dazu, sodass alle Laufpläne für Paris passée waren.
Meine Familie und ich fuhren dann zwar trotzdem nach Paris, aber die Laufschuhe hatte ich vorsichtshalber zu Hause gelassen, um ja nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Wir genossen drei Tage in Paris und machten uns am Sonntagmorgen auf den Heimweg. Als ich von der Stadtautobahn aus den Tross der Marathonläufer über eine Brücke in Richtung Bois de Vincennes laufen sah, deprimierte mich das kaum. Ich hatte mit der Sache abgeschlossen – und freute mich schon aufs nächste Jahr.
Paris-Marathon 2016: Mit akribischer Vorbereitung zur Bestzeit
Netterweise bekam ich wegen meiner Verletzung aus dem Vorjahr wieder einen Gratis-Startplatz. Für die Vorbereitung verzichtete ich auf Rumgekasper. Es musste klappen und ich fühlte mich in der Form meines Lebens. Es mussten unter vier Stunden werden und zwar deutlich besser als 2014 in Hamburg, als ich nach 3:58:32 ins Ziel kam. 3:45 durften es gerne werden.
In der Zwischenzeit wurde Paris von einem weiteren Terrorangriff heimgesucht. Ich beschloss, eigens für den Lauf ein T-Shirt anfertigen zu lassen, mit dem Eiffelturm als Peace-Zeichen auf der Brust und in den Farben der Tricolore.
Der Lauf: Menschenmassen auf den Champs-Élysées
Wer sich fragt, wie der Kreisverkehr rund um den Arc de Triomphe wohl wirkt, wenn er von Marathonis statt Autos bevölkert wird, wird enttäuscht. Der Étoille wird schlicht nicht für Autos gesperrt, sodass die erste große Prüfung für alle Läufer die ist, dem Verkehr unbeschadet zu entkommen. Dafür muss man Paris einfach, naja, lieben.
Doch die Mühle lohnt sich. Es gibt deutlich schlimmere Anblicke als den des Arc de Triomphe vor einem Marathon. Läufer machen Selfies oder knipsen sich gegenseitig, alles wuselt durcheinander, Autos und Reisebusse inklusive. Die Organisation ist mal nicht vorhanden, mal perfekt – so ist Frankreich nun mal. Die Klamottenabgabe geht reibungslos vonstatten, trotz der Massen und einer relativ peniblen Sicherheitskontrolle. Allerdings ist der Weg dorthin – euphemistisch gesagt – suboptimal ausgeschildert. Auch den Weg zum Startblock könnten die Organisatoren einen Tick „lauter“ ausschildern. Beim Paris-Debüt hatte ich mich glatt verirrt und konnte nur mit Mühe durch ein Schlupfloch in meinen Block flutschen.
Der Start erfolgt mit dem Trimphbogen im Rücken bergab Richtung Place de la Concorde. Auf der Startmeile stehen eigens Fotopodeste, von denen man einen atemberaubenden Blick auf das Läuferfeld hat. Eine gigantische Masse, die sich auf einen 42,195 Kilometer langen Sightseeing-Spaziergang durch diese wunderbare Stadt begibt.
Perfekte Wasserversorgung an der Strecke
Wer sich vor einem Marathon mit Gedanken an die richtige Trinkstrategie plagt, muss sich in Paris keine Sorgen machen. Alle fünf Kilometer gibt es Wasser in kleinen Flaschen, was für die Läufer ein großer Vorteil ist, weil sich Flaschen im Gegensatz zu Pappbechern auch im Laufschritt transportieren lassen. Die Organisatoren bieten zahlreiche Müllcontainer zur Entsorgung an und brüsten sich damit, eine klimaneutrale Veranstaltung auf die Beine zu stellen.
Bei meinen beiden bisherigen Läufen an der Seine, bin ich ab Kilometer Fünf beinahe durchgängig mit einer Wasserflasche in der Hand gelaufen. Angesichts der Temperaturen, die Paris Anfang April zu bieten hat, durchaus ratsam.
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Ein erster Stimmungshöhepunkt ist die Place de la Bastille, wo die Läufer durch ein Spalier aus Zuschauern rennen. Diesen Platz überläuft man zweimal, beide Male ist die Stimmung hervorragend.
Die Strecke durch den Bois de Vincennes ist zuschauerarm, aber sehr schön. Musikkapellen und Bands säumen die Strecke, der Zoo imponiert mit seinem riesigen Felsen. Das Highlight bildet eine schwule Läufer-Community, die den Läufern bunt verkleidet und mit Schlagermucke Beine macht. Ein kleiner Schock dann kurze Zeit später. Plötzlich öffnet sich der Wald und den Läufern bietet sich ein Blick über Paris. Blick? Über? Sind wir etwa bergauf gelaufen? Offensichtlich. Merkt man gar nicht – noch nicht, aber die Beine vergessen nichts.
Wechselhafte Stimmung an der Strecke
Die Stimmung auf dem Rest der Strecke ist wechselhaft. Mal jubeln viele Leute den Läufern zu, mal ist es eher still. Auf dem „Rückweg“, entlang der Seine, ist die Stimmung klasse. Gespenstisch in diesen Terror-Zeiten sind die Tunnel. Hinterm Eiffelturm geht noch mal richtig die Post ab, bevor es im Bois de Boulogne wieder etwas ruhiger wird. Dort kreisen die Gedanken nur noch ums Finish. Die Strecke zieht sich. Und dann joggen da auch noch entspannte Hobbyläufer neben der Strecke. Ach, wie gerne würde man jetzt mit ihnen tauschen.
Bei Roland Garros kotzen die Leute
Die letzten fünf Kilometer sind richtig hart. „Bei Roland Garros kotzen die Leute“, hatten mich zwei Laufkollegen bei einem gemeinsamen Trainingslauf gewarnt. Irgendetwas müsste es also mit der Tennisanlage im Bois du Boulogne, ungefähr bei Kilometer 35, auf sich haben.
Und tatsächlich: Kaum rannte ich bei meinem Paris-Debüt an der Tribüne des Center Court entlang, sah ich einen Läufer im Gebüsch verschwinden. Einige Meter weiter musste jemand von Sanitätern behandelt werden. Würgegeräusche am Straßenrand. Ich konnte es verstehen, die Sonne sengte uns auf die weichen Läuferköpfe, jeder lief schon längst auf Reserve. Ich schaffte es und konnte mich auf mein Projekt „Bestzeit“ konzentrieren.
Wenn man sie am dringendsten braucht, ist die Stimmung wieder da. Ungefähr anderthalb Kilometer vor dem Ziel wird es wieder lauter am Streckenrand. Wer jetzt noch rennen will, um seine Wunschzeit zu erreichen, bekommt einen kleinen Schub. „Courage!“, rufen viele Zuschauer.
Und am Ende? Da ist es wie immer. Läufer und Läuferinnen lächeln gequält die Gedanken an ihre schmerzenden Füße weg. Und spätestens wenn die Medaille um den Hals baumelt, kehrt das glückliche Siegerlächeln zurück. „Können Sie bitte ein Foto machen“ in zig Sprachen – knips – schon ist das Grinsen konserviert, der Triumphbogen strahlt im Hintergrund. Der Schmerz kehrt erst auf den Treppen zur Metro zurück. Er bleibt ein Weilchen, bevor er sich in Nichts auflöst.
Noch mal! Und noch mal!
Kaum war Paris 2016 Geschichte, stand mein Beschluss, es 2017 wieder zu versuchen – zumal der Marathon dieses Mal perfekt in die Osterferien passte. 2016 war ich alleine nach Paris gereist, 2017 konnte die Familie mitkommen und wir ließen Paris noch ein paar Tage in der Normandie folgen.
Eigentlich hatte ich gar nicht vor, ein drittes Mal in Paris zu laufen. Zumal der Marathon 2017 nicht nach meinen Vorstellungen verlaufen war. Da war doch recht viel Quälerei im Spiel, weil die Vorbereitung nicht gerade perfekt war.
Und auf einmal ertappte ich mich dabei, wie ich nur wenige Tage nach dem Überqueren der Ziellinie, noch in der Normandie urlaubend, an meinem Handy herumspielte und den Startplatz für 2018 fix machte. Und was soll ich sagen? Ich freue mich riesig drauf!
Mein Bericht zum Paris-Marathon 2016
7 Antworten auf „L’amour toujours: Warum ich drei mal in Folge in Paris laufe“