Hagen ist ja nicht unbedingt als Perle des Sauerlands oder malerischster Ort des Ruhrgebiets bekannt. Das liegt vielleicht schlicht daran, dass die Stadt irgendwie immer nur halb dazugehört. Fürs Sauerland zu hässlich, für den Ruhrpott zu bergig. Der Volkslauf führt glücklicherweise durch Hagens schönere Ecken und ist ein Lauf zum Verlieben.
Auf der Suche nach Höhenmetern bin ich nun also doch in der ungeliebten Nachbarstadt gelandet. Als Dortmunder hat man ja mit Hagen nicht so viel am Hut. So gehörte die südliche Nachbarstadt bislang auch nicht zu den Orten, an denen ich nach Läufen suchte. Aber in der Not frisst der Steak-Fan Tofu und insgeheim wusste ich doch immer, dass Hagen im Süden durchaus seine reizvollen und vor allem bergigen Ecken hat.
Pace Pack Runners haben die Werbetrommel gerührt
Dank der verrückten Typen von den Pace Pack Runners (was die machen und warum es sie gibt, habe ich noch nicht so ganz herausgefunden — aber nett sind sie) bin ich auf den Hagener Volkslauf aufmerksam geworden. Die Jungs und Mädels hatten ein Promo-Video für den Lauf gedreht und auf Facebook kräftig die Werbetrommel gerührt. Gut so, denn der Volkslauf hat es absolut verdient. Skeptisch, wie ich bin, erwartete ich von dem Pace-Pack-Video erst einmal nichts. Hagen — nääää. Aber dann: Wiesen, Wälder, Felder, Berge. Mit anderen Worten: Höhenmeter in schön und lang, denn neben einem Zehner gehört auch ein Halbmarathon (mit nicht ganz 21,1 km) zum Programm. „Ich melde mich da an“, verkündete ich, relaxend auf der linken Seite der Couch liegend. „Mach doch“, kam es von rechts. Ich: „Fertig!“ Dann: „Oh, das ist ja schon jetzt Donnerstag.“ Und die Dame auf der rechten Seite streute sogleich Salz in die gerade frisch aufgerissene Wunde: „Du willst doch schon Sonntag in Lennestadt laufen. Bisschen viel, oder?“
Zwei bergige Zwanziger in vier Tagen
Ach, Quatsch. Wer das Stilfser Joch erklimmen will, der kann auch zwei bergige Zwanziger innerhalb von vier Tagen laufen. Hoffte ich jedenfalls. Training darf zwischendurch ja auch gerne mal hart sein. Von nix kommt nix und so.
Und hart kann der Volkslauf in der Tat. Es fängt ganz harmlos mit einer Runde im Park an, danach geht‘s in den Wald und über eine schöne Blumenwiese, mal hoch, mal runter, alles schön. Doch spätestens ab der Stelle, an der sich der Halbmarathon-Kurs vom Zehner trennt, wird es heftig. Es geht bergauf auf eine Kurve zu. Nach der Kurve geht es: bergauf. Und nach der nächsten Kurve: bergauf. Aber immer schön in sehr ländlicher Umgebung. So muss ein Landschaftslauf sein.
Auch Fotopausen sind Training fürs Stilfser Joch
Auf teilweise angenehm trailigem Geläuf laufen wir durch den Wald, können hin und wieder den Blick über die Ausläufer des nördlichen Sauerlands schweifen lassen. Ich mache Film- und Fotopausen, denn auch die will ich fürs Stilfser Joch trainieren. Vatertagswanderer ohne Bollerwagen (aber mit Bier) grüßen uns und feuern uns an. Da, wo Menschen sind, ist die Stimmung gelöst. Doch meistens sind keine Menschen am Streckenrand, was hier aber auch absolut wünschenswert ist. Zu viel Gegend zum Angucken und schön viele Anstiege zum Hochkämpfen. Mancherorts fühle ich mich nach Bayern versetzt: Kühe auf der Weide und Dünger auf den Feldern sorgen für „frische“ Landluft. Der Kurs ist wirklich zum Verlieben. Das muss sich auch der Macher gedacht haben. Denn die Strecke will und will einfach nicht das herbeigesehnte Signal geben, dass es nicht mehr weit bis zum Ziel ist.
Mein temporärer Laufkumpel
Durch meine Fotopausen befinde ich mich ein einem langgezogenen Grüppchen aus drei, vier Läuferinnen und Läufern, neben denen ich ab und an laufe und ein paar Worte wechsele. Schließlich bleibe ich neben einem Kollegen aus Hohenlimburg hängen.
Wir quatschen über unsere Lauferei, über den Venloop, über Marathon, Ultras und die TorTour de Ruhr. Er erzählt mir, dass der Kurs für ihn zu bergig sei und er nicht mehr könne. Die Beine und so — was man halt als Läufer so hat. Ich beruhige ihn und sage, dass wir dafür, dass er nicht mehr kann, aber ganz flott unterwegs sind.
Es schüttet wie aus Eimern
Dann kommt der Regen. Und wie. Von jetzt auf gleich beginnt es zu kübeln. Keine Fotopausen und Videos mehr, denn der Touchscreen reagiert nicht auf meine Finger. Alles schwimmt. Mein namenloser, temporärer Laufkumpel und ich lassen uns nicht aus der Ruhe bringen.
Wir laufen stoisch unseren Stiefel herunter. Apropos herunter. Das dürfte es jetzt allmählich mal gehen, doch irgendwie geht es nach jeder kleinen Bergab-Passage auch wieder hoch. „Müssen wir uns gleich ins Ziel abseilen?“, frage ich. Wir wissen es beide nicht. Irgendwann muss es doch bergab gehen.
Nur noch gute vier Kilometer bis zum Ziel. Tatsächlich: Es geht abwärts und auf den letzten zwei Kilometern sogar flach weiter. Aus unserem Duo wird ein Trio, weil wir noch einen Läufer aus dem Ruhrpott einholen, mit dem wir durchaus zügig laufend ein paar Lauferlebnisse austauschen. Er ist schon an der Zugspitze gelaufen und macht mir mit seinen Erzählungen sofort Bock auf meinen Lauf in Südtirol.
Der Spurt ins Ziel
Kurz vor dem Ziel gibt mein Kurzzeit-Partner sogar noch Gas — Stallgeruch wirkt doch immer. Zu meinem eigenen Erstaunen kann ich ebenfalls noch zulegen und hole ihn wieder ein. „Uuuuh, meine Beine, uuuuh ich kann nicht mehr“, äffe ich ihn lachend nach und schließe die Lücke. Noch eine Kurve, dann sind wir im Ziel.
Schnell baumelt die wohlverdiente Finisher-Medaille am Hals. Wir bedanken uns für die Unterhaltung und dass wir uns gegenseitig gezogen haben. Dann gehen wir unserer Wege — meiner führt natürlich zum Bratwurststand. Am Sonntag steht schließlich der Trail in Lennestadt an, der wird so richtig fies. Da brauche ich Eiweiß. Darum gibt‘s zum Abendessen auch noch Spargel mit selbstgemachter Hollandaise, eine echte Eiweiß-Bombe. Was? Hat da jemand „Fett“ gesagt? Mit solchen Nebensächlichkeiten befasse ich mich nicht. Nicht heute.
Mehr Läufer, bitte!
Das einzig Negative an dieser 51. Auflage des Hagener Volkslaufs war die Teilnehmerzahl. Ich weiß nicht, wie viele oder wie wenige es waren, aber der Lauf hätte mehr Läuferinnen und Läufer verdient gehabt. Die Strecke ist anspruchsvoll, aber wunderschön. Die Organisation ist sympathisch.
Relive ‚Volkslauf in Hagen‘
Es sind genau diese Läufe, die den Laufsport schön machen. Für elf Euro bekommt man alles, was man braucht: eine Startnummer mit Zeitmessung und einen gut ausgeschilderten Kurs — und die Gewissheit, einem kleinen Verein etwas Gutes getan zu haben.
Umso größer ist mein Dank an die Pace Pack Runners, die die Promotion für den Lauf in die Hand genommen und offenbar noch für einige Spontanmeldungen gesorgt haben (jetzt fehlt noch jemand, der dem Veranstalter eine vernünftige Website baut). Hoffentlich haben sich noch mehr Läufer außer mir in diesen Lauf verliebt und kommen im nächsten Jahr wieder, damit diese Veranstaltungen nicht das Schicksal ähnlicher Läufe nimmt und vom Kalender verschwindet.
schöner Bericht – leider konnte ich heute nicht.
Am Sonntag kann ich Dir dann was über die PACE PACK RUNNERS erzählen.